JULI 2013 - Das Gegenteil von Sieg

Niederlage bedeutet das Gegenteil von Sieg. So erklärt es uns der Duden. Das Gegenteil vom propagierten Endsieg der Nazis bedeutete bedingungslose Kapitulation vor den Siegermächten. Das wissen wir aus dem Geschichtsunterricht, das wissen wir aus den Dokumentationen der öffentlich-rechtlichen Fernsehsender. Die Folgen sind uns bekannt, wir haben sie erlebt, wir erleben sie noch.

Für unseren Kreis bezeugt eine einfache Schreibmaschinen-A4-Seite, was bedingungslose Kapitulation bedeutet hat.

Am 5. Juli 1945 erließ der „Held der Sowjetunion“ Oberst Iw[an]. Solowjew, als Standortältester der Stadt und des Landkreises Mühlhausen/Thür. seinen ersten Befehl, im Kreisarchiv zu finden unter anderem unter Signatur Diedorf 11/10.

Im Paragraph eins heißt es:monat juli 2013

Ab 5. Juli 45 00 Uhr ist die gesamte Befehlsgewalt in der Stadt und im Landkreis Mühlhausen/Thür.“ vom Sowjet-Militär-Kommando übernommen worden.“

Die Paragraphen zwei und drei verraten die Namen des Standortältesten und des Militärkommandanten der Stadt Mühlhausen.

Paragraph vier regelt:

Alle von mir [Solowjew] persönlich oder durch den Militärkommandanten erlassenen Befehle und Anordnungen sind von der gesamten Bevölkerung, sowie von allen Behörden und Betrieben vorbehaltlos durchzuführen.“

Am 4. April 1945 befreite die US-amerikanischen Armee Mühlhausen. Es gab kaum militärischen Widerstand. Ein Vierteljahr später übernahm die Rote Armee das Kommando in unserer Region. Erst am 10. Oktober 1949 übergab die Sowjetische Militäradministration die Verwaltungshoheit an die Regierung der Deutschen Demokratischen Republik.

Der Angriff der deutschen Wehrmacht auf die Sowjetunion kostete mehr als 17.622.000 sowjetischen Soldaten und 27.800.000 sowjetischen Zivilisten das Leben. Das sind zusammen 26.6 Millionen Tote. Fast 60 Prozent der sowjetischen Kriegsgefangenen starben in deutschen Lagern. Der Krieg wurde auch gegen die Zivilbevölkerung geführt: Während der deutschen Blockade Leningrads von Juni 1941 bis Juni 1942 starben in der Stadt etwa 470.000 Menschen. Meist verhungerten sie oder erfroren. (1)

Am Sonnabend, dem 7. Juli 1945, stand der Befehl Oberst Solowjews im Mühlhäuser Anzeiger, im Kreisarchiv unter Signatur P 111.

Der Wortlaut des Befehls prangt oben in der Mitte der Titelseite, eingerahmt von zwei langen Spalten.

In der linken Spalte finden wir „Erste Gedanken beim Einmarsch der Roten Armee“, den Kommentar also. Ein nicht genannter Autor schwärmt von der Größe der Sowjetunion. Sie umfasse ein Sechstel der Erdoberfläche. Der Kommentator erinnert an den gemeinsamen Kampf von Russen und Deutschen gegen die Truppen Napoleons I.:

Was waren das doch für herrliche Zeiten, in denen Russen und Deutsche gemeinsam in einer ,Heiligen Allianz` für die Befreiung ihrer eigenen Länder, ja des gesamten Kontinents zusammenstanden und kämpften.“

In der Heiligen Allianz verbündeten sich 1815 die Monarchen von Preußen, Österreich und Russland. Später trat Frankreich bei. Die Heilige Allianz hielt bis zum Krimkrieg 1853, in dem sich unter anderem Franzosen mit den Russen blutigste Schlachten lieferten.

Zurück zum Mühlhäuser Anzeiger vom 7. Juli 1945. In der rechten Spalte neben dem Befehl Solowjews wurden Zitate Stalins aneinandergereiht. So versichert der Marschall Stalin den „deutschen Männern und Frauen“ in seinem Befehl Nr. 55 vom 23. Februar 1942:

Manchmal wird darüber geschwätzt, daß die Rote Armee das Ziel habe, das deutsche Volk auszurotten und den deutschen Staat zu vernichten. Das ist natürlich eine dumme Lüge und eine törichte Verleumdung der Roten Armee. Diese idiotischen Ziele hat die Rote Armee nicht und kann sie nicht haben. (…) Die Erfahrungen der Geschichte besagen, daß die Hitler kommen und gehen, aber das deutsche Volk, der deutsche Staat bleibt!“

Direkt unter den Stalin-Zitaten stand die erste Bekanntmachung des sowjetischen Standortältesten. In dieser wurde mitgeteilt, dass ab sofort ausschließlich das Auto des Standortältesten einen roten Wimpel führen darf. Alle uniformierten Personen des Landkreises und der Stadt Mühlhausen sollten dem Fahrzeug „die erforderliche Ehrenbezeugung (...) erweisen“. Die Zivilbevölkerung sollte das Auto ebenfalls „achtungsvoll grüßen“. Außerdem wurde „allen Fahrzeugführern, Radfahrern und der gesamten Bevölkerung (…) zur Pflicht gemacht, daß sie beim Erscheinen des Fahrzeuges sofort die Straße freigibt.“

Und auch schon: „Das Überschreiten der Kreisgrenze nach dem Westen ist sinnlos und streng verboten.“ Das verkündeten „im Auftrag der Militärregierung“ Landrat Janson und Bürgermeister Preuß.

Die zweite Seite des Mühlhäuser Anzeigers vom 7. Juli 1945 widmet sich wieder dem Alltäglichem. Das Leben geht weiter. Fußball, 70ste und 80ste Geburtstage, Nachrichten aus Heyerode, Diedorf und Altengottern, Zahlenrätseln und Witze, Stellen-Angebote, Heiratswünsche, Todesanzeigen und Werbung füllen zwei weitere Seiten.

Ebenfalls angekündigt: Am 9. Juli 1945 gab es eine Sonnenfinsternis, von 11 Uhr morgens bis 4 Uhr nachmittags.

Michael Zeng

Wie immer vielen Dank an Volker Mock, der die Archivalie des Monats ins Netz bringt.

(1) Vgl. Christian Hartmann: Unternehmen Barbarossa. Der deutsche Krieg im Osten. München 2011, S. 115 f.

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